Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket kommt
Die Regierungskoalition hat am 3. Juni 2020 beschlossen, dass Deutschland zusätzlich zu den bisher bereits getroffenen Maßnahmen des Gesetzgebers ein Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket sowie ein Zukunftspaket benötigt, um die Folgen der Corona-Pandemie abzumildern. Teile der 57 Punkte umfassenden Maßnahmen sind bereits an die Öffentlichkeit gelangt. Viele der Maßnahmen sollen bereits zum 1. Juli 2020 in Kraft treten. Die Gesetzesvorlage der Koalition wurde am 12. Juni 2020 im Bundestag auf den Weg gebracht. Die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat steht noch aus. Es ist also formal offen, ob sämtliche oder Teile der Maßnahmen tatsächlich so in Kraft treten.
Geplante umsatzsteuerliche Änderungen
In Nr. 1 des Konjunktur- und Krisenbewältigungspaketes soll der Mehrwertsteuersatz/Umsatzsteuersatz zeitlich befristet einheitlich von 19% auf 16% sowie der ermäßigte Steuersatz von 7% auf 5% reduziert werden. Die Reduzierung soll für sämtliche Leistungen (branchenunabhängig) gelten, also Lieferungen und sonstige Leistungen betreffen, wenn diese in der Zeit zwischen 1. Juli 2020 und 31. Dezember 2020 ausgeführt werden. Eine sonstige Leistung gilt grundsätzlich als ausgeführt, wenn sie vollendet/beendet ist. Eine Lieferung gilt grundsätzlich als ausgeführt, wenn der Transport beginnt bzw. wenn Verfügungsmacht an dem zu liefernden Gegenstand übertragen wird. Auf das Datum der Rechnungslegung kommt es ebenso wenig an, wie auf den Zahlungszeitpunkt.
Wichtig: Leistungen, die vor der Steuersatzänderung begonnen wurden, aber nach der Steuersatzänderung vollendet/beendet wurden, unterliegen dem neuen Steuersatz. Anzahlungs- oder Vorausrechnungen, die richtigerweise mit dem alten Umsatzsteuersatz ausgestellt wurden, sind spätestens mit Erstellung der Schlussrechnung auf den neuen Steuersatz zu korrigieren. Auch die alternative Berichtigung der Anzahlungs- bzw.
Vorausrechnung ist zulässig. Dann entfällt die Berichtigung der Schlussrechnung.
Wichtig: Insbesondere in der Gastronomiebranche würde die Umsetzung des Corona-Steuerhilfegesetzes sowie des Konjunktur- und Krisenbewältigungspaketes zu folgenden Steuersätzen führen
Speisen vor Ort | Speisen to go | Getränke vor Ort | Getränke to go | Zeitraum |
19% | 7% | 19% | 10%/7%* | bis 30. Juni 2020 |
5% | 5% | 16% | 16%/5%* | 1. Juli – 31. Dezember 2020 |
7% | 7% | 19% | 19%/7%* | 1. Januar 2021 – 30. Juni 2021 |
19% | 7% | 19% | 19%/7%* | ab 1. Juli 2021 |
* Ermäßigter Steuersatz bei verpacktem und abgefülltem Wasser sowie Milchmischgetränken mit einem Milchanteil von mindestens 75%.
Die umsatzsteuerlichen Neuerungen sind wirtschaftlich heftig umstritten. Das erklärte politische Ziel, die Binnennachfrage „anzukurbeln“, in dem der Endverbraucher entlastet wird, kann nur erreicht werden, wenn die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auch an den Endkunden weitergegeben wird, also bei gleichbleibenden Nettopreisen die Bruttopreise sinken. Es bleibt abzuwarten, ob das so der Fall sein wird.
Unabhängig davon, ob die geplante Maßnahme ihre gewünschte Wirkung entfaltet, ist davon auszugehen, dass sie umgesetzt wird. Das macht eine Anpassung der Kassensysteme und des Rechnungswesens bis Ende Juni 2020 erforderlich. Bitte sprechen Sie mich daher gern an, um die ggf. erforderlichen weiteren Maßnahmen gemeinsam abzustimmen.
Ausgewählte weitere Änderungen des Konjunktur- und Krisenbewältigungspaketes
Kinderbonus
Für jedes Kind, für das Anspruch auf Kindergeld besteht, sollen einmalig 300 EUR zusätzlich zum laufenden Kindergeld ausgezahlt werden. Die Auszahlung soll in zwei Raten in den Monaten September und Oktober 2020 erfolgen. Der Bonus soll insbesondere geringe und mittlere Einkommensschichten entlasten. Das wird durch eine automatische Günstigerprüfung am Ende des Jahres durch das Finanzamt erreicht. Das Finanzamt vergleicht die steuerliche Entlastung durch die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages mit dem bereits erhaltenen Kindergeld inklusive Kinderbonus. Gutverdienende zahlen den Kinderbonus dann am Jahresende in der Einkommensteuererklärung wieder zurück an den Staat.
Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge
Die Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen in Summe 40% der Bemessungsgrundlage (grds. des Bruttogehaltes) nicht übersteigen. Die Maßnahme ist auf den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 befristet. Ob Arbeitnehmer und Arbeitgeber ggf. hälftig entlastet werden, ist noch unklar.
Erweiterung der steuerlichen Möglichkeiten von Verlustrückträgen
Der steuerliche Verlustrücktrag nach § 10d EStG soll zeitlich befristet von bisher maximal 1 Mio. EUR p. a. auf 5 Mio EUR p. a. und bei Zusammenveranlagung von Ehegatten von bisher maximal 2 Mio EUR p. a. auf 10 Mio EUR angehoben werden. Die Neuregelung soll für Verluste der Jahre 2020 und 2021 gelten. Der erweiterte Verlustrücktrag soll technisch durch die gewinnmindernde Bildung einer so genannten Corona-Rücklage bereits in 2019 umgesetzt werden. Auf diese Weise wird der Gewinn des Jahres 2019 bspw. sofort mit dem erwarteten Verlust des Jahres 2020 verrechnet. Die Rücklage soll bis spätestens Ende 2022 aufgelöst werden. Die Neuregelung gilt analog bei körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen (insbesondere bei Kapitalgesellschaften). Für Zwecke der Gewerbesteuer greift die Regelung nicht, da derzeit gewerbesteuerlich nur ein Verlustvortrag möglich ist.
Neue degressive AfA
Für Anschaffungen beweglicher Wirtschaftsgüter in 2020 und 2021 soll eine neue degressive AfA möglich sein. Sie beträgt maximal das 2,5-fache der linearen AfA und maximal 25% der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten p. a.
Überbrückungshilfe
Kleine und mittlere Unternehmen bis 250 Arbeitnehmer (KMU), die in den Monaten April und Mai 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum April und Mai 2019 einen Umsatzausfall von mindestens 60% verkraften müssen,
sollen in den Monaten Juni bis August 2020 zwischen 50% und 80% ihrer Fixkosten (ohne eigenen Unternehmerlohn) erstattet bekommen, wenn die Umsatzausfälle von Juni bis August 2020 andauern. Entscheidend für die exakte Höhe der Erstattung soll der konkrete Umsatzausfall des Antragsmonats (Juni, Juli oder August 2020) im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat sein. Die Erstattung ist auf 50.000 EUR im Monat bzw. 150.000 EUR im Antragszeitraum begrenzt. Der Antrag ist bis 31. August 2020 zu stellen. Die Umsatzausfälle sind durch einen Steuerberater/Wirtschaftsprüfer zu bestätigen.
Ausbildungsprämie
KMU, die in 2020 die Zahl ihrer Auszubildenden im Vergleich zum Durchschnitt der drei vorangehenden Jahre (2017 bis 2019) nicht reduzieren, können eine einmalige Ausbildungsprämie von 2.000 EUR beantragen. Wird die Quote der Auszubildenden erhöht, steigt die Prämie auf einmalig 3.000 EUR. Die Beantragung/Auszahlung erfolgt nach erfolgreich bestandener Probezeit des Auszubildenden. Die Probezeit von Auszubildenden ist einzelvertraglich regelbar und beträgt zwischen einem und vier Monaten.
Ausgewählte weitere Änderungen des Zukunftspaketes
Kfz-Umweltprämie
Für bestimmte, elektrisch betriebene Kfz soll die Kfz-Umweltprämie (Innovationsprämie) von derzeit 3.000 EUR auf 6.000 EUR verdoppelt werden.
Aufstockung der E-Ladekapazitäten und nationale Wasserstoffstrategie
Die Infrastruktur der Ladesäulen für die Elektromobilität soll ab sofort deutlich ausgebaut werden. Ebenso sollen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten betreffend alternative Antriebskonzepte (insbesondere die Wasserstofftechnologie) massiv gefördert werden.
Wichtiger Hinweis
Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle steuerliche Beratung. Er soll nur als Information und Entscheidungshilfe dienen. Bei konkreten Fragen sprechen Sie mich daher gern an.